5. Juni 2013
Spannender Blick hinter die Kulissen
2. Lange Nacht der Industrie
Unter dem Motto „Industrie live erleben“ öffneten am 15. Mai über 30 Berliner Industriebetriebe ihre Pforten für einen spannenden Blick hinter die Kulissen. Mit über 1.400 angemeldeten Besuchern waren die 20 angebotenen Touren komplett ausgebucht. Ich hatte mich für Tour 5 entschieden: Laserline Digitaldruck und Vattenfall Heizkraftwerk Mitte.
Startpunkt der Langen Nacht war die TU Berlin. Im Lichthof der Universität gab es am frühen Abend eine kleine Auftaktveranstaltung mit kurzen Ansprachen von Uni- und Industrievertretern. Direkt im Anschluß starteten dann auf der Straße des 17. Juni die Busse zu ihren Touren. Direkt am Bus erhielten wir unsere Besucherausweise.
Laserline Digitaldruck
Unser erster Stopp war die Laserline-Druckerei in Mitte. Hier entstehen im Digitaldruckverfahren Broschüren, Werbematerialien, Poster, Plakate usw. in allen nur erdenklichen Größen, Varianten und Materialien. An diesem Standort wird ausschließlich digital gedruckt, während in einer anderen Niederlassung auch Offsetdruck angeboten wird. Dieser ist hauptsächlich für große Auflagen gedacht, während im Digitaldruck prinzipiell auch der Druck einer einzelnen Visitenkarte möglich ist.
Nach der Anmeldung wurden wir aufgeteilt in kleinere Gruppen zu je rund 10 Personen und von einer Mitarbeiterin durch die Druckerei geführt. Nach einer kleinen Vorstellung der Arbeit und den Produkten von Laserline sowie einem Abstecher ins Großraumbüro gelangten wir in die Druckhalle mit ihrem umfangreichen Maschinenpark.
Unter zahlreichen großformatigen Druckern und Schneidemaschinen sprangen vor allem zwei ins Auge: Zum einen ein riesiger Plattendrucker, mit welchem das Bedrucken mehrerer Quadratmeter großer Flächen aus nahezu beliebigem Material möglich ist. Neben den normalen Druckfarben kann diese Maschine auch spezielle Lacke und Beschichtungen auftragen. Zum anderen beeindruckte eine großflächige Schneide- und Fräsmaschine, welche uns auch direkt vorgeführt wurde.
Zum Abschluß der Führung erhielt jeder Teilnehmer ein kleines Souvenir und wir wurden ein Stockwerk höher in die Lounge mit Sonnenterrasse geführt. Hier durften wir uns bei kalten Getränken und leckeren Snacks stärken und mit den Mitarbeitern plaudern. Während wir auf die anderen Gruppen warteten, erschien plötzlich ein Techniker vom RBB und bat um zwei Freiwillige für ein kurzes Interview – für die Abendschau war eine Liveschaltung vorgesehen. Es fand sich schließlich ein Pärchen, welches vom Techniker zurück in die Druckhalle geführt wurde.
Kurz danach wurden wir zu unserem Bus zurückgebracht. Wer wollte, durfte zuvor noch eine „Blackbox“ mitnehmen – eine umfangreiche Box mit Informationsmaterial, Druckmustern und Papierproben. Im Bus mußten wir dann allerdings noch warten – die RBB-Liveschaltung erfolgte erst gegen Ende der Abendschau um kurz vor 8. Unsere beiden Stars wurden dann auch mit Applaus im Bus begrüßt und weiter gings zu Vattenfall.
Vattenfall Heizkraftwerk Mitte
Nach einer kurzen Begrüßung im Besucherzentrum des Kraftwerks sowie der Teilung der Besucher in zwei Gruppen bekam jeder seine Ausrüstung für die Führung: Schutzbrille, Helm sowie einen Knopf ins Ohr – eine rein verbale Kommunikation wäre aufgrund der Lautstärke im Kraftwerk unmöglich gewesen.
Der leitende Ingenieur Thomas Funke führte die erste Gruppe. Nach Betreten des Kraftwerkes erklärte er zunächst an einem Modell dessen Funktionsweise. Das HKW Mitte ist durch seine Konstruktion als GuD (Gas und Dampf)-Kraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung eines der effizientesten Kraftwerke mit sehr hoher Brennstoffenergieausnutzung. Das Abgas zweier Gasturbinen wird über Abhitzekessel als Dampferzeuger für eine nachgeschaltete Dampfturbine und zudem für Fernwärme genutzt.
Nach diesen generellen Erläuterungen fuhren wir mit einem Aufzug zunächst hinauf zum Leitstand (Warte). Von hier aus wird das gesamte Kraftwerk überwacht und gesteuert, so daß im Normalfall auch nur hier Betriebspersonal anzutreffen ist. Von der Warte aus gelangten wir über eine gut isolierende Tür in die Kraftwerkshalle, direkt hindurch zwischen einem der Abhitzekessel und einem Speisewasserbehälter. Sowohl Lautstärke als auch Temperatur erhöhten sich schlagartig, so daß sich schon nach kurzer Zeit Schweißperlen auf der Stirn bildeten.
Über viele Stahlgittertreppen, vorbei an unzähligen Armaturen, gewaltigen Rohrleitungen und beeindruckenden Stahlträgern, welche z.B. den riesigen Abhitzekessel tragen, gelangten wir Etage um Etage wieder nach unten bis hinein in die Maschinenhalle. Von erhöhter Position aus hatten wir einen guten Blick auf die umgebenden Container der beiden Gasturbinen sowie die großen Kondensatoren im Bereich der Fernwärmeerzeugung. Die Gasturbine 1 war zum Zeitpunkt unseres Besuches revisionsbedingt außer Betrieb und zum Teil zerlegt. Durch eine Tür war ein kleiner Blick in das Innere auf ein komplexes Rohr- und Leitungssystem möglich – mehrere Dutzend ringförmig angeordnete Brenner wollen gleichmäßig mit Brennstoff versorgt werden.
Nach einem kurzen Abstecher aufs Freigelände und zum Spreeufer mit aus Abwärme beheizten Bänken gingen wir zurück ins Besucherzentrum, wo bei einem leckeren kalten Buffet noch genügend Zeit zum Diskutieren und Fragen stellen war. Allerdings redete meist nur einer und alle lauschten: Kraftwerksleiter Funke plauderte entspannt aus dem Nähkästchen und wußte so manch unterhaltsame Anekdote aus dem Kraftwerksalltag zu berichten:
So gab es einst einen Brand an der Dampfturbine, welcher jedoch durch das eigene Löschsystem schnell erstickt werden konnte. Dennoch war bereits die Feuerwehr mit großem Gerät auf dem Weg. Und zum Glück auch der Kraftwerksleiter, der sich in letzter Sekunde „schützend vor die Maschine stellen konnte“ – kaltes Wasser auf eine heiße Maschine wäre dieser nicht gut bekommen.
In einem anderen Fall machte sich ein Winkeleisen aus einem Luftfilter selbständig und gelangte trotz Schutzgitter in eine der Turbinen. Die Kompressorstufe zerschlug das Teil zu Mehl, welches sich in der gesamten Turbine verteilte. Auch zahlreiche Turbinenschaufeln, von denen jede einzelne den Preis eines Kleinwagens hat, wurden in Mitleidenschaft gezogen, so daß vorsorglich zwei komplette Schaufelräder ausgetauscht werden mußten. Die Versicherung bezog die Schadensregulierung auf den Verursacher – der Winkel wurde ersetzt. (Der Vollständigkeit halber: Es gab eine gütliche Einigung, denn auch der Ausfall eines Kraftwerks ist versicherungstechnisch geregelt.)
Fazit
Eine Lange Nacht der Industrie erlaubt spannende Besuche an Orten, die man ansonsten kaum zu Gesicht bekommt. Hier bieten sich neben interessantem Hintergrundwissen auch gute Perspektiven für Neueinsteiger und Azubis. Wenn dann auch noch freundliches und kompetentes Personal durch die Anlagen führt, kommt auch die Unterhaltung nicht zu kurz. Alles in allem ein sehr lohnenswertes Ereignis.