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2012

25. Juni 2012 (Aktualisiert: 31. Mai 2013)

Alternative „Medizin“

Ganzheitlicher Unfug

Homöopathie, Osteopathie, Bach, Schüssler u.v.a. – sie alle versprechen die Behandlung verschiedenster Symptome und die sanfte Heilung von plagenden Krankheiten, ohne den Körper mit chemischen Keulen zu strapazieren. Stattdessen setzen sie auf eine natürliche, umfassende, ihrer Meinung nach „ganzheitliche“ Betrachtung des Menschen und das angebliche Verständnis verschiedenster, innerer Zusammen­hänge. Doch so unterschiedlich die einzelnen Methoden auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: Ihnen allen fehlt bis heute jeglicher wissenschaftlich haltbare Nachweis einer Wirksamkeit, welche über Placebo­effekte hinausgeht. Alternative „Medizin“ ist und bleibt in weiten Teilen nichts weiter als Scharlatanerie und Geldschneiderei, welche auf die Leichtgläubig­keit der Menschen setzt – ein Milliardenmarkt.

Es scheint das ultimative Rezept zum Geldverdienen zu sein: Man sammle ein Körbchen voll hübscher, bunter Wiesen­blumen, völlig egal, welche. Mit ein paar Litern Wasser werden die Blüten ein halbes Stündchen gekocht und anschließend ausgefiltert. Der entstandene Sud wird mit Alkohol angereichert und nun wieder und wieder verdünnt – aus wenigen Litern entsteht Hektoliter um Hektoliter Blütenwasser, zahlreiche Badewannen voll. In dieser Verdünnung ist zwar vom ursprünglichen Blütensud praktisch nichts mehr nachweisbar, weshalb es eigentlich praktikabler und effizienter wäre, die Badewannen direkt aus dem Hahn zu befüllen. Aber ein bißchen Hokuspokus gehört schließlich immer dazu. Die Menge voller Badewannen reicht nun aus, um 100.000 und mehr kleine Fläschchen abzufüllen – Etikett drauf und für 10,- € verkauft, schon ist die erste Million in der Tasche.

So weit, so simpel. Leider ist diese Idee nicht neu, sondern wird bereits seit geraumer Zeit unter dem Namen „Bach-Blütentherapie“ recht erfolgreich praktiziert, um leichtgläubige Menschen von allzu schmerzhaften Vergrößerungen ihrer Geldbörsen zu erlösen. Und zumindest eines muß man den Homöopathen, zu denen letztlich auch Bachs Blümchen­zupfer gehören, lassen – sie dürfen sich mit dem Titel der Größten Wertschaffenden schmücken: Niemand sonst vermag es, aus absolut nichts Milliarden von Dollars und Euros zu erzeugen! Da erblassen selbst Ferengi vor Neid.

Doch auch andere Alternativ-„Mediziner“ stehen dem in nichts nach. Es ist erschreckend, daß in einer modernen, aufgeklärten und vernetzten Welt, in der sich eigentlich jeder ganz einfach selbst aus einer Unzahl verschiedenster Quellen sein eigenes Urteil bilden könnte, solch Quack­salbertum noch immer dermaßen weit verbreitet ist und ohne kritisches Hinterfragen einfach so akzeptiert wird. Glaube versetzt bekanntlich Berge, doch hier sind es lediglich Geldberge. Daß die evidenz­basierte Medizin (von Esoterikern gerne abwertend als „Schulmedizin“ bezeichnet) nicht immer der Weisheit letzter Schluß ist, bezweifelt niemand. Doch das sollte noch längst kein Grund sein, nachweislichen Betrügern mit ihren absurden, widersprüch­lichen und unhaltbaren Theorien das eigene, sauer verdiente Geld in den Rachen zu schmeißen. Mit hinreichend starkem Glauben heilen Gummi­bärchen genauso gut.

Ein kurzer, leicht sarkastischer Abriß der bekanntesten Mythen.

  1. Homöopathie
  2. Akupunktur
  3. Osteopathie
  4. Von Blumen und Salzen
  5. Entsäuerung und Entschlackung
  6. Von Zähnen und Zehen
  7. Begradigter Geist
  8. Fazit

Homöopathie

Der Klassiker – die Erschaffung von Wirkung aus dem Nichts. Homöopathie ist sicherlich die bekannteste der alternativen Behandlungs­methoden, als solche die mit den starrköpfigsten Anhängern und vermutlich auch die mit den meisten Todesopfern infolge unterlassener echter medizinischer Behandlung.

Homöopathie ist die Kunst, leicht­gläubigen Menschen für Nichts das Geld aus der Tasche zu ziehen und ihnen zu horrenden Preisen alltägliche Dinge zu verkaufen, die in jedem Supermarkt günstiger zu haben sind: Wasser, Zucker und Alkohol.

Physikalisch, chemisch und biologisch sind die postulierten Grundpfeiler dieser Theorie längst eindeutig widerlegt – schon Samuel Hahnemann selbst äußerte seinerzeit erste Zweifel bzw. revidierte einige frühere Aussagen. Jede Generation, bisweilen sogar kriminelle Regime, hat sich an Nachweisen versucht – ohne Erfolg. Die Ausbeute an positiven Studien bis zum heutigen Tage ist gleich Null; es steht nicht zu erwarten, daß sich daran je etwas ändern wird. Dennoch wird mit diesen magischen Wässerchen und Zückerchen jährlich ein Milliarden­umsatz erzielt, Tendenz steigend. Selbst Kranken­kassen übernehmen bisweilen die Kosten, doch nicht aus Überzeugung, sondern einzig aus Kulanz und Kunden­bindung.

Zum Erhalt ihres morschen Phantasie­gebildes überbieten sich die Verfechter der Homöo­pathie dabei gegenseitig mit immer absurderen und hahne­büche­neren Begrün­dungen für die angebliche Wirksam­keit ihrer Zauber­tränke – von einem „Gedächtnis“ des Wassers über „Cluster­bildung“ ist mittlerweile gar die Ebene der Quanten­physik erreicht. Und ironischer­weise bringt gerade diese – mit leichter Verballhornung – das gesamte Gebaren präzise auf den Punkt: Quark.

Denn bei derartigem Eifer und sturer Prinzipientreue geht schon mal gerne der Blick für die zahlreichen offensichtlichen Widersprüche und Ungereimt­heiten in Hahnemanns Theorien verloren bzw. diese werden bewußt unter den Teppich gekehrt. Die meisten Homöopathen wissen ganz genau, daß sie ihre Patienten nach Strich und Faden belügen, doch nur einige wenige weltweit sind bereit, dies auch tatsächlich zuzugeben.

Akupunktur

Kleine Sticheleien erhalten die Freundschaft – zumindest zwischen Therapeut und zahlungs­willigem Patienten. Dabei sind auch bei diesem äußerst populären Verfahren die Wirksamkeit mehr auf Placebo­effekten denn allem anderen gegründet und die Nadelstiche bisweilen alles andere als harmlos.

Die Geschichte der Akupunktur im Westen ist geprägt von Hochstapelei und Widersprüchen. Vieles geht auf George Soulié de Morant zurück, der die Akupunktur aus China nach Europa brachte bzw. erstmals Ausbildungen anbot. Doch vieles an seiner eigenen Biographie und seinen Überlieferungen scheint gefälscht oder ist zumindest fragwürdig. Es ist sogar zweifelhaft, ob er je selbst eine Nadel gesehen, geschweige denn gesetzt hat.

Von den historischen Querelen abgesehen ist die moderne Akupunktur auch in heutiger Zeit alles andere als eine zuverlässige Heilmethode, sondern eine weitestgehend auf den Placebo­effekt setzende, kostenintensive, nicht immer unbedenkliche Scheintherapie.

Die nachgewiesenen, wissenschaftlichen Tatsachen:

  1. Es ist egal, wer sticht.

    Ein Stich ist ein Stich, egal, ob er von einem ausgebildeten Akupunkteur mit 10 Jahren Berufserfahrung oder lediglich einem belesenen Laien durchgeführt wird. Beide verursachen an gewissen Stellen der Haut die gleichen punktförmigen Verletzungen, welche ggf. Nervenreize auslösen sowie die lokale Durchblutung ankurbeln können.

  2. Es ist egal, wo gestochen wird.

    Die angeblichen „Meridiane“ sind ein bis heute nicht nachweis­barer, von de Morant entscheidend mitgeprägter Mythos, ebenso die angeblich auf ihnen liegenden Aku­punktur­punkte. Die Ursprünge gehen zurück bis in eine Zeit, in der es den chine­sischen Ärzten untersagt war, Autopsien vorzunehmen. Daher beruht vieles einzig und allein auf äußeren Beo­bach­tungen und Vermu­tungen. Wirkliche Kenntnisse über die Abläufe im Inneren des Körpers waren damals nicht vorhanden.

    Nach Vorstellung der alten Chinesen stellen Meridiane Energie­bahnen dar, in denen die Lebens­energie Qi fließt. Doch philo­sophische Ansichten und eine Yin-Yang-Schwarz-Weiß-Einteilung des Körpers haben nichts mit wissen­schaft­lichen Erkennt­nissen zu tun und gehören ins Reich der Mythen und Legenden. Daß zudem mehrere konkurrie­rende und sich wider­sprechende Meridian­systeme existieren, spielt da schon gar keine Rolle mehr.

    Daher ist es vollkommen irrelevant, wo gestochen wird. Auch Einstiche weit abseits der angeb­lichen Punkte zeigen die erwartete Wirkung und meßbare physio­logische Reaktionen.

    Selbst wenn diese Punkte existieren sollten, ist es aufgrund der menschlichen Anatomie und den körper­bau­lichen Unterschieden von Mensch zu Mensch vollkommen unmöglich, diese Punkte bei jedem gleicher­maßen gezielt zu lokalisieren. Das wissen auch die Aku­punkteure und kalkulieren daher mindestens daumen­breite oder gar größere Abweichungen von den Punkten der überlieferten Lehre direkt mit ein. Doch wenn ein Stich schon ganz offiziell mehrere Zentimeter daneben gehen darf und somit bisweilen im Bereich des nächsten Aku­punktur­punktes liegt, ist die gesamte Zuordnung zu Punkten und „Meridianen“ beliebig und damit hinfällig, wie auch die Praxis klar beweist.

    Angebliche Nachweise der Meridiane

    Zwei Beispiele sollen zeigen, wie versucht wurde, die Meridiane nach­zuweisen und mit welch frag­würdigen Methoden bzw. Interpre­tatio­nen der Ergebnisse dabei vorgegangen wurde – im Bereich der alter­nativen Medizin ein nicht unübliches Verfahren:

    • In einem Experiment franzö­sischer Forscher wurde den Probanden an Aku­punktur­punkten eine schwach radio­aktive Substanz injiziert und mit einer speziellen Kamera deren Ausbreitung verfolgt. Da sich diese – angeblich – unabhängig von Blut- und Lymph­gefäßen entlang der behaupteten Meridiane ausbreitete, wurde dies als direkter Nachweis interpretiert und als solcher publiziert.

      Das Experiment wurde von anderen Laboren wiederholt. Diese kam zu einem völlig anderen Ergebnis: Die injizierte Substanz breitete sich nicht geradlinig entlang gedachter Linien aus, sondern folgte offen­sichtlich ganz normal dem Verlauf der Gefäße, inklusive Verzwei­gungen und Behin­derungen durch Venen­stauungen.

    • In einem Experiment des Biopho­tonen­forschers Fritz-Albert Popp von 2005 wurden angebliche Nachweise der Meridiane mithilfe von Wärme­bild­kameras erbracht. Nach einer vorherigen Wärme­stimu­lation einer bestimm­ten Körper­region zeigten sich im Infrarot­bild geradlinige Strukturen, welche genau den gesuchten Meridian­verläufen entsprachen.

      Diese Resultate wurden triumphierend verbreitet und werden noch heute unter dem Begriff „Infrarotanalytik“ gerne zitiert.

      Allerdings gab es auch bei diesem Experiment einen kleinen Schönheits­fehler: Ein anderes Labor konnte die Ergebnisse zwar repro­du­zieren – der Effekt zeigte sich allerdings auch an Leichen. Doch bei einem Toten ist es recht unwahr­schein­lich, daß ausgerechnet die „Lebens­energie“ noch fließt. Des Rätsels Lösung: Die beo­bach­teten Strukturen im Wärme­bild waren nichts weiter als optische Artefakte, Reflexionen, die sich aus der Anordnung der Kameras sowie der vorherigen Wärme­stimu­lation ergaben. Mit etwas Geschick konnten somit gerad­linige Reflexionen erzeugt werden, die dann als angebliche Meridiane veröffent­licht wurden.

  3. Es ist egal, ob überhaupt gestochen wird.

    In vielen Fällen macht es keinen Unterschied, ob die Haut durch Nadeln tatsächlich verletzt wird oder ob lediglich der Eindruck eines Stiches erweckt wird, z.B. durch Teleskop­nadeln. Diese Schein­aku­punktur ist z.B. bei Migräne nachweislich wirksam. Der Eindruck und die psychische Wirkung allein genügen.

Darüber hinaus besteht im Gegensatz zu den meisten anderen alternativ­medizi­nischen „Therapien“ bei der Akupunktur das Risiko, durch die „Behandlung“ selbst ernsthafte, teils lebens­bedroh­liche Kompli­kationen wie z.B. Wund­infektionen, innere Blutungen, kollabierte Lungen­flügel oder gar Streuung von Krebszellen auszulösen. Auch nachweislich akupunktur-bedingte Todesfälle sind dokumentiert.

Dennoch ist es ein einträgliches Geschäft, vor allem für die ausbildenden Verbände und Lobby­gruppen. Die Seminare zur Erlangung der Berechtigung zur Akupunktur kosten einen Arzt schnell einen hohen vierstelligen Betrag. Dement­sprechend hoch sind dann auch die Kosten für eine „Behandlung“, damit sich die Investition rentiert. Der Stunden­lohn kann hier bei minimalem Aufwand für den Arzt bei weit über 100,– € liegen. Kein schlechtes Geschäft.

Osteopathie

Dies sind gewissermaßen die Knetfiguren unter den Alternativen: Mit verschiedensten manuellen Methoden sollen Beschwerden des Bewegungs­apparates, der Muskeln, Knochen und Gelenke bis hin zu Fehlstellungen bzw. -haltungen behandelt werden.

Vieles davon ist nachweislich wirkungslos bzw. potentiell gar gefährlich: Bereits geschädigte Strukturen können durch osteopathische „Behandlung“ weiter beeinträchtigt werden, während in vielen anderen Situationen kein Unterschied zu normaler Behandlung wie z.B. Physiotherapie feststellbar war.

Insgesamt ist die Wirksamkeit der Osteopathie als ausgesprochen zweifelhaft zu bezeichnen.

Von Blumen und Salzen

Man kann nur spekulieren, ob der Blumenschänder Edward Bach in den 1930er Jahren ein paar zuviel seiner Blüten geraucht oder die halluzino­gene Rinde vom Baum der Erkenntnis angeknabbert hat. Jedenfalls braucht es schon eine Menge Pollen im Hirn, um sämtliche körperliche Gebrechen allein auf ein „seelisches Ungleich­gewicht“ zu reduzieren und unschuldige Blümchen dazu zu verdonnern, diese Zustände wieder zu harmonisieren. Die Auswahl der Pflanzen erfolgte zudem nach eigener Aussage rein „intuitiv“ – er hätte also genauso gut auch einfach würfeln können. Dement­sprechend zufällig sind auch grundsätzlich die Resultate einer solchen „Behandlung“.

Ähnlich muß es verlaufen sein, als Wilhelm Heinrich Schüßler in den 1870ern offenbar einen Chemie­bau­kasten in die Finger bekam und mit verschiedensten Salzen herumspielte. Er machte es sich ähnlich leicht wie später Bach und reduzierte fast alle Krankheiten auf eine einzige elementare Ursache – bei Schüßler mußte dafür ein „gestörter Mineral­haushalt“ herhalten. Mit seinen noch dazu homöopathisch gepimpten Salzen aus der Bastelkiste meinte er, den Mineral­haushalt des Körpers wieder in Einklang zu bringen und damit alle großen und kleinen Wehwehchen heilen zu können. Doch dem menschlichen Körper ist das alles ziemlich schnurz, zumal bei den eingesetzten homöopathischen Verdünnungen i.d.R. ohnehin keine Wirksamkeit mehr zu erwarten ist. Die Salze verbleiben also besser im Chemie­baukasten. Oder im Streukasten für den Winter.

Bedenklich ist einzig, daß gerade kleinen Kindern bei Erkältungen gerne mal eine „Heiße Sieben“ verabreicht wird – eine heiße Zitrone wäre hier deutlich sinnvoller und zielführender als wirkungsloser, pseudo­wissen­schaftlicher Humbug, welcher im schlimmsten Fall eine Krankheit eher noch verlängert.

Entsäuerung und Entschlackung

Ganz großes Kaliber – der körpereigene pH-Wert. Nichts geht ohne ihn und alles ist auf ihn zurückzuführen. Alle anderen Blutwerte sind nahezu bedeutungslos, solange man nur seinen eigenen Säure-Basen-Haushalt im Griff hat und seinen pH-Wert günstig beeinflußt, heißt es. Aus einem zu niedrigen Wert folgt unweigerlich eine Über­säuerung des Körpers und daraus der Theorie nach wiederum eine Ent­minera­lisierung und Verschlackung. Nach ganzheitlichen Vorstellungen sind praktisch sämtliche nur denkbaren Krankheits­bilder auf eine solche Übersäuerung zurück­zuführen: von Allergien über Haar­ausfall, MS und Tennisarm bis hin zu Zahn­erkrankungen. Selbst HIV und Krebs stehen auf der Liste. Und gegen all diese Übel gibt es Abhilfe in Pillenform oder als Fußbad. Donnerwetter!

Die nötigen basischen Mittelchen sind dankens­werter­weise direkt bei den Wohltätern zu beziehen, welche diese Zusammen­hänge entdeckt haben. Selbst basische Funktions­wäsche ist im Angebot, um die Kunden ganzheitlich über den gesamten Tag zu pflegen. Kostet natürlich alles eine Kleinigkeit, aber das sollte einem die eigene Gesundheit doch wert sein. Ein Schelm …

Auch die höhere Lebenserwartung von Frauen sowie deren natürliche Schönheit werden mit einer natürlichen Entsäuerung des weiblichen Körpers durch die monatliche Regelblutung begründet. Nach den Wechseljahren ist dieser Ofen freilich aus. Da mit steigendem Wohlstand und zunehmender Umwelt­belastung allerdings auch junge Frauen bereits von Übersäuerung und entsprechendem Mineralstoff­abbau betroffen sein sollen, müßten dieser kruden Logik zufolge heutige Frauen eigentlich immer häßlicher werden. Trotz intensivster Beobachtungen gibt es dafür bislang aber zum Glück keinerlei Anzeichen.

Zwei weitere Kleinigkeiten seien noch erwähnt, welche den ganzheit­lichen Zauber­lehrling aber nicht zu interessieren brauchen – wer braucht schon Fakten.

Zum einen ist der pH-Wert dermaßen wichtig, daß der Körper ihn selbst reguliert. Eine direkte Beeinflussung von außerhalb wäre deshalb verhängnis­voll. Ein zu niedriger Wert und somit eine tatsächliche Übersäuerung ist nicht durch Hand­auflegen, sondern durch eine Blutgas­analyse nachweisbar. Doch dann helfen keine Pillen mehr, sondern die Intensiv­station: Eine echte Übersäuerung des Körpers ist immer die Folge einer anderen ernsthaften, potentiell lebens­bedroh­lichen Erkrankung.

Zum anderen ist der Begriff der Verschlackung irreführend. Schlacken sind Abfall­produkte eines Verbrennungs­prozesses, doch der Mensch ist keine Dampfmaschine. So etwas wie Schlacken existieren im biologischen Sinne nicht, somit stehen auch Verfahren wie Heilfasten zumindest im Punkt der vermeintlichen „Entschlackung“ auf äußerst wackeligen Krücken.

Die versprochene Entsäuerung und Reminera­lisierung ist unterm Strich nichts weiter als eine Ent­monetari­sierung der Kunden. Sich eine absurde Theorie aus den Fingern zu saugen und gleichzeitig Wundermittel dagegen zu verkaufen, kann getrost als glatter Betrug bezeichnet werden.

Von Zähnen und Zehen

Jetzt wird es richtig originell: Es heißt, die Zähne und die Füße des Menschen seien ein Spiegelbild seines gesamten Körpers, innerlich wie äußerlich. Dank der „Zahn-Organ-Beziehung“ kann dann schon mal die ganzheitlich desorientierte Zahnärztin mit einem einzigen, gezielten Blick auf die eigene Kauleiste z.B. ein Leberproblem diagnostizieren und nebenbei ein magisches Mittelchen verschreiben, um eine vermeintliche Übersäuerung des Körpers zu behandeln – ganz ohne eingehende Untersuchung, geschweige denn Blutgasanalyse! Das kann nicht mal der Copperfield.

Umgekehrt sollen natürlich auch kranke Zähne ihrerseits als sogenannte „Zahnherde“ Symptome an den jeweils verkabelten Organen verursachen können.

Wozu braucht man dann eigentlich noch einen Hausarzt und Kranken­haus­personal, wenn schon eine einfache Zahnärztin den gesamten Zustand des Körpers erkennen und behandeln kann? Und was ist überhaupt bei fehlenden Zähnen bzw. Prothesen? Funktioniert dann nur die innere Sensorik nicht mehr oder können bestimmte Krankheits­bilder mangels „Herd“ gar nicht erst auftreten? Sollte sich ein Alkoholiker also vorsorglich alle Eckzähne ziehen lassen, um eine Zirrhose zu vermeiden? Und müssen sich Menschen mit Unter­kiefer­fraktur Sorgen um ihre Fruchtbarkeit machen?

In die gleiche Kerbe schlagen die Fußreflex­zonen – auch hier spiegeln sich angeblich sämtliche Teile des Körpers auf unserer „Bereifung“ wider und sind über mystische Energiebahnen – Meridiane genannt – miteinander verbunden. Daß für diese steile These zahlreiche unterschiedliche und z.T. sich widersprechende Karten dieser angeblichen Zonen existieren, scheint die Anhänger nicht sonderlich zu stören, denn schließlich kommen auch Astrologen mit geschickt formulierten Horoskopen und unter Berück­sichti­gung der Quersumme des Produkts der aktuellen Lottozahlen auf eine Trefferquote von satten 50%. Dem Pseudo­wissen­schaftler ist das genug für einen Beleg, der Natur­wissen­schaftler hingegen schüttelt nur mitleidig den Kopf.

Aber das war selbstverständlich noch längst nicht alles aus der alternativen Wundertüte, denn logischer­weise stehen ja auch Füße und Zähne selbst in direkter Vollduplex-Verbindung. In der Tat sollen sich daher Zahn­schmerzen und sogar kiefer­ortho­pädische Probleme ganz einfach mit etwas Fußgymnastik behandeln lassen.

Logische Konsequenz: Weil ja die Zähne bekanntlich mit dem gesamten Körper verdrahtet sind, können sämtliche körperlichen Gebrechen auch allein durch Zehen­kraulen mit Weiterleitung der Heilenergie über die Zähne behandelt werden, vom ganzheitlichen Schamanen über den monetären Meridian zusätzlich auch immer aktiv unterstützt mit reichhaltigem Abfluß metallischer Geschwüre aus dem Portemonnaie.

Idealerweise sollte diese Fußgymnastik in einem basischen Fußbad erfolgen, so daß man ganz nebenbei auch noch automatisch den gesamten Körper entsäuert. Das ist schließlich immer gut. Aufpassen muß man nur, daß man nicht per Zeh ausgerechnet den Zahn stimuliert, welcher seinerseits für die Zehen zuständig ist – der Informatiker spricht hier von Rekursion, der Ingenieur von einer Rückkopplung. Das kann ganz schön häßlich werden, aber davon abgesehen sind die Füße aufgrund dieser Fähigkeiten und ihres Einflusses auf den gesamten Körper eine ganz wunderbare Erfindung. Da sollte man glatt noch ein paar mehr von haben. Wie findet eigentlich ein Tausendfüßler den richtigen Zeh, wenn er mal wieder Kopfschmerzen hat?

Begradigter Geist

Und es geht immer noch doller: Waren bei den bisher betrachteten Wunder­heilern wahlweise pH-Wert, Zähne, Salzmangel o.a. primär für Beschwerden verantwortlich, sind diesmal die Wirbelsäule und final gar der Verstand fällig. Erstere ist neben ihrer elementaren Stützfunktion für den Körper mindestens ebenso wichtig als „ganz­heitliches“ und informationelles Zentrum desselbigen und daher natürlich mit sämtlichen Organen, Meridianen, Reflexzonen und Sternzeichen verbunden – schon eine leichte Fehl­stellung führt daher zu einer langen Reihe von physischen, psychischen und emotionalen Beschwerden.

Und wenn materielle Ursachen allein nicht mehr genügen, um den Leuten ihre sauer verdienten Kröten aus der Tasche zu ziehen, dann wird einfach noch die spirituelle Ebene hinzugezogen – spätestens damit ist dann wirklich alles begründbar: Geist­heiler, Begradi­gungs­heiler und viele andere Drogenopfer sind in diesem Metier zu Hause.

In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder der Name Pjotr Elkunoviz auf – eine armselige, russisch­stämmige Gestalt, welche von sich selbst nicht weniger behauptet, als der alleinige Initiator und Quelle einer noch nie dagewesenen Energie zur Herstellung einer „Göttlichen Ordnung“ in Mensch und Tier zu sein. Kurz: Jesus war gestern, heute ist Pjotr! Es hat ihn bislang nur noch niemand an ein Kreuz gedübelt.

Allein mit seiner eigenen göttlichen „Geistigen Aufrichtungs-Energie“ biegt er noch jede verkrümmte Wirbelsäule wieder gerade und heilt damit von eben auf jetzt – falls nötig sogar aus der Ferne – alle erdenklichen Wehweh­chen. Ohne jegliche körperliche Berührung wird eine Schief­stellung des Beckens korrigiert – innerhalb von Sekunden! Und seine Methode ist selbst­verständ­lich die einzig richtige und einzig mögliche, um dem gesamten Körper die Heilung zuzuführen. Nein, der Mann ist kein billiges Jesus-Plagiat – das ist Gott höchstselbst; und als solcher natürlich auch über jeglichen Gegenbeweis erhaben.

Auch auf EU-Ebene haben er und seine Jünger schon große Erfolge erzielen können. Dank geistiger Begradigung hatten selbst zu krumm gewachsene Gemüse wie z.B. Gurken und Spargel eine gute Chance, den bis 2009 geltenden Normen für EU-Standard­gemüse gerecht zu werden und konnten erfolgreich verkauft werden.

Zugegeben – Moslems, Hindus und unzählige andere Glaubens­gemein­schaften werden auch weiterhin mit schiefen Wirbelsäulen und krummen Gurken leben müssen, denn wo kein christliches Gottesgespenst, da auch kein Pjotr. Schon blöd.

Dafür scheint es aber eine ganze Menge bibelfester Tiere zu geben, denn viele Anhänger des geld­schein­heiligen Pjotr behaupten von sich, auch Tiere „begradigen“ und gar „entstören“ zu können. Ja, entstören! Denn selbstverständ­lich spielen auch E-Smog, die unvermeidlichen Erdstrahlen und die Farbe der Socken in dieser bunten Esoterik­welt eine gewichtige Rolle. Nichts ist nerviger, als wenn das dusselige Haustier mal wieder den Fernseh­empfang blockiert! Eine Entstör­drossel im Hintern hilft nur bedingt – da muß schon ein echter Begradi­gungs- und Entstör­meister ran.

Preislich fängt das etwa bei 10,- € für ein normales Haustier an, aber es kann auch schnell dreistellig werden. Dafür erfolgt die Begradigung immerhin „remote“, d.h. aus der Ferne: Der Name und ein Foto des Tieres genügen. Der Preis für die Begradi­gung und Entstörung von Nackt­mullen konnte bislang noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Ebenso wenig ist bekannt, ob z.B. bei Schlangen nach dem laufenden Meter abgerechnet wird.

Aber bevor das Ganze hier zu sehr ins Absurde abdriftet: Gestalten wie Geist- und Begradi­gungs­heiler sind neben gängigen Kirchen­vertretern das beste und eindrück­lichste Beispiel, warum harte Drogen verboten sind – was Blöderes findet sich in keinem Zoo. Man kann mit diesen Figuren eigentlich nur noch Mitleid haben. Noch mehr allerdings mit den armen Seelen, die für solche „Dienst­leistungen“ auch noch bezahlen, denn die Preise für derartigen Unfug sind wahrlich „göttlich“.

Der Ablauf einer Begradigung

Eine „Geistige Aufrichtung“ ist schnell und einfach erklärt: Zunächst werden kurz die Schulterpartie, der Rücken und das Becken des Opfers begutachtet und vermessen, wobei selbst­verständlich eine deutliche Schiefstellung festgestellt werden wird. Das Gefuchtel mit zwei Plastik­linealen o.ä. ist Teil der plumpen Show. Dann geht es im Liegen weiter. Beide Fersen werden an gleicher Stelle mit Strichen markiert, welche – oh Wunder – natürlich einen Abstand von 1-2cm aufweisen. Nach einem kurzen, beschwörenden Sprüchlein und ggf. einer Erklärung an weitere Teilnehmer stehen sich beide Markierungen ganz plötzlich direkt gegenüber, die Schiefstellung ist geheilt! Das macht dann 120,‑ €, vielen Dank und der Nächste bitte.

Mit etwas Grundschul­wissen in Biologie über die Anatomie der mensch­lichen Füße sowie etwas Grundschul­wissen in Physik über Hebelgesetze ist der Trick schnell erklärt: Mit dem Knöchel als „Drehpunkt“ reicht schon eine kleine Lage­änderung der Fußspitzen, um die Ferse in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen. Das ist alles.

Zudem wird behauptet, eine solche Aufrichtung wäre dauerhaft – andere Heiler müßten dies also erkennen können. Aber man kann davon ausgehen, daß selbst drei am gleichen Tag direkt nacheinander besuchte Begradigungs­heiler jeweils eine Schiefstellung diagnostizieren und gegen teures Geld „behandeln“ werden.

„Die Geistige Aufrichtung®“ ist eine der plumpesten und dreistesten Abzockmethoden auf dem weiten Feld des alternativ­medizinischen Betrugs.

Fazit

Je mehr man sich mit diesen Themen befaßt und in entsprechenden Quellen recher­chiert, umso mehr faßt man sich zwar amüsiert, aber doch ziemlich sprachlos an den Kopf ob soviel geballten Schwach­sinns. Keine Erklärung ist den Alternativ­lern zu absurd und zu haarig herbeigezogen, um ihre kruden Theorien und Phantas­tereien zu begründen und vermeintlich zu belegen.

Durch konsequentes Ignorieren der Fakten und Widersprüche, dem jeweils gerade benötigten Zurecht­biegen der Naturgesetze sowie dem Anreichern mit einer Menge pseudo­wissenschaft­lichem Geblubber entstehen fast schon ganzheitliche Kunstwerke, welche den Laien in ehrfürch­tiges und vor allem zahlungs­williges Erstaunen versetzen sollen. Doch unter ernstzu­nehmenden, wissenschaft­lichen und vor allem belegbaren Gesichts­punkten kann es für sämtliche Begründer und Verfechter dieser Theorien ausnahmslos nur einen Begriff geben: Quacksalber.

Man kann vor solchem Unfug nur eindringlich warnen. Alternative „Medizin“ ist und bleibt in weiten Teilen Geldschneiderei. Wer dafür Geld ausgibt, wirft es Lügnern und Betrügern in den Rachen. Ein Placebo bleibt ein Placebo, egal, wie aufwändig es verpackt ist.

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